Oh Bologna!

Oh Bologna!
Als ich am Bahnhof ausgestiegen bin und dich zum ersten Mal sah, hatte ich keine Ahnung, was mich erwartet. Was ich vorher von dir gehört hatte, lässt sich in sehr kurz zusammenfassen: alte Universität, rote Backsteinhäuser und viele alternative Studis.
Der erste Bahnhof mit mehr als zwei Gleisen, den ich seit acht Monaten gesehen hatte. Zwei Stunden in gemütlichen Regiobahnen mit Umstieg in Prato: das erste mal so richtig weit raus aus der Stadt, die seit September mein Zuhause war. Und plötzlich waren da Menschen und einfahrende Züge und Ampelphasen an riesigen Kreuzungen.

Auf den ersten Blick ganz einfach eine Großstadt, mit mehrspurigen Straßen, haufenweise Fahrrädern und Cafés an jeder Ecke.

Dass die Spezialität dieser Stadt Tortellini und Pasta al Ragu sind, kann nicht übersehen werden, da sie vor jedem Restaurant groß angepriesen werden. Zu meiner wirklich sehr bescheidenen Vorbereitung auf diesen Städtetrip gehörte die Erkenntnis, warum wir Bolognese Soße sagen - ihr mögt jetzt lachen, aber ich wette, mindestens eine_r von euch fasst sich gerde beschämt an den Kopf, weil er/ sie die Herkunft dieser Bezeichnung nie hinterfragt hat...

 

Auch wenn Florenz und Bologna beide im oberen Drittel Italiens liegen, beide sehr ähnlich groß und somit jeweils die Hauptstädte ihrer Regionen sind, ist Bologna auf den ersten Blick schon ganz anders als Florenz und das war mir sofort sympathisch, weil ich einen Tapetenwechsel dringend nötig hatte.
Dort, wo Florenz hübsch zurechtgemacht und idyllisch, sauber, gold und beigefarben ist, dort ist Bologna laut und unverschämt, dreckig und bunt. Keine gelben Häuser, nur rote.

Die Hauptstraßen sind nicht breit und gediegen, sondern vollgepackt und bunt, sie führen nicht an Gucci, Prada oder Louis Vuitton vorbei, sondern an kleinen Boutiquen mit abblätternder Fassade, Secondhandläden oder Bars, wo ein Aperol Spritz zwei fünfzig kostet. Noch nie habe ich in Italien so viele Restaurants, Bars und Kneipen gesehen, die internationales Essen anbieten.

 

Und sogar grün ist die Stadt, jedenfalls in den langen Kastanienalleen und den Parks, die das historische Zentrum umgeben.

Bologna, la dotta, la grassa, la rossa, sagt man.

Bedeutet: die Gelehrte, die Beleibte, die Rote.

Gelehrt wegen der uralten und berühmten Universität, beleibt wegen des gehaltvollen Essens und rot sowohl wegen der Farben der Häuser als auch wegen der politischen Richtung. In diese Stadt einzutauchen war wie eine neue Welt kennenzulernen.

Warum zerstört ihr das Land, von dem ihr sagt, es zu lieben?
Warum zerstört ihr das Land, von dem ihr sagt, es zu lieben?

Dort, wo in Florenz aufgeklebte Bilder, aufgemalte tropische Vögel, kleinere Zeichnungen und Kunstwerke an den Hauswänden zu finden sind, sind in Bologna Worte.
Gedichte, Zitate, politische Stellungnahmen, Satire, Provokationen oder einfach Gedanken. Aus dem Kopf irgendeines/r Student_in an die Wand. Gedanken, die mit der Stadt geteilt werden sollten. Eine Antwort nicht selten mit Datum versehen direkt darunter.

In der Straße, wo sich leer und geschlossen die Kneipen und Clubs aneinanderreihten, war in leuchtenden Buchstaben über die ganze Straße ein Zitat von Ezio Bosso gespannt, einem italienischen Musiker und Komponisten:

La musica ci insegna la cosa piú importante che esista: ascoltare.

Die Musik lehrt uns die wichtigste Sache, die es gibt: zuhören.

Vielleicht lag es an dem guten Wetter.

Vielleicht daran, dass wir alle, ausgehungert nach neuen Eindrücken, euphorisch durch die Straßen liefen - jedenfalls war es Liebe auf den ersten Blick. Diese Stadt voller Leben war genau das, was ich gebraucht hatte, um mich daran zu erinnern: Wie viele wundervolle Orte es auf der Welt gibt, die du noch nicht gesehen hast. Wie froh und dankbar du sein kannst, diese Vielfalt in dich aufnehmen zu dürfen. Wie sehr es sich gelohnt hat, durch diesen dunklen Winter zu warten, die Zähne zusammenzubeißen und daran zu glauben, dass der Sommer so viel Gutes bringen wird. All das war Bologna für mich.


Vielleicht werde ich eines Tages die Universität, an der ich diesmal nur vorbeilaufen konnte (es war Sonntag) von innen sehen. Vielleicht werde ich hier irgendwann noch einmal Zeit verbringen, für einen Kurztrip, zu Besuch oder für eine ganze Weile.

Wir werden sehen.

Bologna jedenfalls empfehle ich euch allen weiter falls ihr mal runterkommt, vielleicht sogar um mich zu besuchen ;) Ein wunderschönes Lebensgefühl und die Erinnerung daran, was es immer noch zu sehen gibt. Die Welt ist groß.

 

Bis zum nächsten Mal, ihr Lieben!

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Kommentare: 3
  • #1

    Anna (Dienstag, 11 Mai 2021 18:19)

    Was für ein wunderschöner Blogeintrag für eine so herrlich bunte Stadt Bologna! Danke, dass ich dich an diesem schönem Tag begleiten durfte.
    Bacio, Anna :-)

  • #2

    Juju (Mittwoch, 12 Mai 2021 10:13)

    Oh toll. Es klingt nach einer Stadt, die zu dir passt. Ich musste etwas schmunzeln. Ich glaube die Joseph von görresst in Aachen ist inspiriert von Bologna. Und das mit der Bolognese habe ich tatsächlich nicht gewusst ��

  • #3

    Karlheinz (Montag, 24 Mai 2021 10:02)

    Wieso? Du warst doch in Bologna und nicht in Bolognese! Versteh ich nicht. Kanze das nochma erklärn?