Buon natale!

Lieber Michi, alles alles Gute zum Geburtstag dir!! Danke für deine Briefe, für alle philosophischen Gespräche und politisch-gesellschaftlichen Diskussionen, danke fürs Gitarre Ausleihen und Wandern gehen :)

Ich sende dir ganz viele Grüße von der weihnachtlich geschmückten Piazza San Marco, der nette Herr hinter mir ist aber keinesfalls San Marco selbst, sondern ein florentinischer Bildhauer und Kupferstecher, der sein Handwerk unter anderem auf dem Ponte Vecchio erlernte..

Pio Fedi, falls es euch interessiert..

"Dimmi perché è natale ma pace non c´è?" - Sag mir, warum Weihnachten ist, es aber keinen Frieden gibt. Aus "Boun natale se vuoi" von Eros Ramazzotti.

 

Sag mir warum es Weihnachten ist, aber die Familien nicht zusammen, die Kirchen nicht voll, das Gelächter nicht halb so laut ist wie sonst. Warum ist es Weihnachten, obwohl Menschen sterben und Systeme zusammenbrechen und wieder einmal offensichtlich ist, wer Priorität ist und wer nicht? Warum wird es Weihnachten in einer Zeit, die so schwer zu ertragen ist wie diese?

Weil Weihnachten immer kommt. Alle Jahre wieder, egal, was dieses Jahr gebracht hat.

 

Jetzt ist es also soweit. Eine Weihnachtszeit, wie ich sie noch nie erlebt habe, nähert sich dem Ende, aber tatsächlich auch eine Weihnachtszeit, wie die ganze Welt sie nie erlebte. Wir gehen alle zusammen zum ersten Mal Heilig Abend nicht in den Gottedienst, umarmen nicht die Großeltern und Freund_innen, die man auf der Straße trifft. Es ist ein Weihnachten hinter Masken dieses Jahr. Ein Weihnachten, an dem unser Reflex ist, erschrocken zurück zu zucken, wenn wir in einer Predigt wie sonst auch hören, dass Gott uns ganz nah sein will... Manchmal wünschte ich, dass ich gerade in dieser schwierigsten Weihnachtszeit zuhause im Behüteten und Vertrauten wäre.
Aber andererseits gibt es hier trotz allem immer was zu sehen:

In den Supermärkten biegen sich die Regale nicht von Lebkuchen, sondern von Panettone, einem typisch italienischen Weihnachtskuchen (wir haben ihn heute probiert - er schmeckt wie weicher fluffiger Stollen), auf den Straßen der Innenstadt werden heiße Maronen verkauft und aus jedem Schaufenster glitzert und leuchtet es.

Auch wenn es natürlich erst dann Weihnachten ist, wenn man aus dem abendlichen Gottesdienst kommt (jedenfalls für mich), wünsche ich euch an dieser Stelle schon mal FROHE WEIHNACHTEN! Auch wenn ich so weit weg von euch bin wie noch nie um diese Zeit, fühle ich mich euch ganz nah also noch einmal vielen Dank für eure Grüße, eure Nachrichten, eure Briefe und Karten, eure Pakete und Päckchen!

Viele Neuigkeiten gibt es nicht, dafür aber einen Haufen neuer Regelungen für die Feiertage. Die Toskana ist zahlenmäßig wieder gelbe Zone (Whoop Whoop), eine Tatsache, die wir jetzt genau drei Tage lang genießen durften, bevor wir über die Feiertage wie der Rest Italiens rot, zwischen den Jahren orange und über Silvester wieder rote Zone werden.

                      An den Türen unseres Supermarkts... Natale insieme - Weihnachten zusammen
An den Türen unseres Supermarkts... Natale insieme - Weihnachten zusammen

Die letzten Tage hat es quasi ununterbrochen geregnet, was der Schönheit unserer Stadt zwar keinen Abbruch getan hat, es aber doch ein bisschen schwieriger machte, unsere letzten "gelben" Tage in Freiheit zu genießen.

Trotzdem haben wir tapfer Spaziergänge durch bisher unbekannte Stadtteile unternommen. Ich dachte echt, ich würde mich schon ein bisschen auskennen, weil ich jetzt von ungefähr überall sagen kann, in welche Richtung der Fluss, der Dom und die Piazza San Marco liegen.. aber falsch gedacht.

Bei den letzten Streifzügen habe ich zufällig die italienische Version eines "Eine Welt Ladens", eine wunderschöne Kunstgalerie, ein süßes Bio Café, das wir noch nicht kannten, und (zugegebenermaßen durch Recherche) einen englischen Buchladen entdeckt.

Ich freue mich sehr darauf, nach den kommenden Lockdown Tagen meine Erkundungen fortzusetzen, denn ich habe festgestellt, dass man sich immer mehr zuhause in einer Stadt fühlt, je mehr man weiß, wo man was findet. Wo die Kokosmilch billiger ist als im Supermarkt, wo der Cappucchino am leckersten und die Postkarten am schönsten sind. Wo man neues Lesefutter bekommt und wo man einfach hinkommen und sich satt gucken kann an so vielen schönen kreativen Dingen.

Das ist die Krippe direkt am Dom. Ein bisschen größer und protziger als die zuhause, aber auch in Ordnung. Zuhause haben wir uns die nasskalten Abende mit Karten spielen und Weihnachtsfilme gucken vertrieben..


Weil es unmöglich ist, in italienischen Supermärkten soetwas wie Rotkohl, Klöße oder andere typisch deutsche Weihnachtsessen zu finden, machen wir heute Abend Pizza. Panettone haben wir schon besorgt und angeschnitten:


Aber ein bisschen was Neues gibt es schon zu Erzählen: Auch hier wird, wie der italienische Präsident verkündet hat, in drei Tagen mit dem Impfen begonnen! Das sind großartige Neuigkeiten, die uns hoffen lassen. Trotzdem kann es für uns mit der Arbeit nicht so weiter gehen wie vorher. Wir wissen nicht, wann genau der Impfstoff bei unseren Gästen und dem Pflegepersonal ankommen wird und mit den Freiwilligen wird das Impfen wohl unterschiedlich gehandhabt (nach dem, was wir gehört haben), deshalb gibt es jetzt eine neue Lösung für uns:

Ab nächster Woche werden wir anfangen, in einem Tageszentrum für Kinder und Jugendliche zu arbeiten! Was genau unsere Aufgaben sein werden, wann wir arbeiten, wie das alles wird wissen wir natürlich noch überhaupt nicht, weil das alles so spontan und ungeplant kam und vermutlich ist es auch eher eine Übergangslösung bis wir wieder im Senior_innenzentrum arbeiten können. Aber ich freue mich wahnsinnig, auf die neuen Routinen und Aufgaben, die ich bitter nötig habe und auch auf die neuen Herausforderungen. So viel Veränderung! Das kann eigentlich nur etwas Gutes sein.

Ich halte euch hier auf dem Laufenden :)

Bis dahin wünsche ich euch allen ein paar wunderschöne Feiertage! Nächstes Jahr wird vieles anders sein. Fühlt euch fest umarmt und bis zum nächsten Mal.

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Kommentare: 1
  • #1

    Karlheinz (Montag, 28 Dezember 2020 11:39)

    Nach über zwanzig Jahren in NH erklären mir immer noch meine Kinder wo was steht, liegt oder fliegt. Und zum Glück hab ich ja S. Die weiß immer sofort, auch in einer neuen Stadt, wo wir hin müssen. Aber ich fühle mich trotzdem hier zu Hause.
    Viel Spaß mit den Kids.